Was ist Schmerz? – Der Physiopraktiker in Tirol erklärt

Nach der Begriffserklärung der Weltschmerzorganisation (IASP = International Association for the Study of Pain) ist Schmerz ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird. Diese Begriffserklärung ist seit vielen Jahren gültig und beschreibt verschiedene Anteile dessen, was im Erleben von Schmerz Bedeutung hat.

Schmerz als Sinnes- und Gefühlserlebnis

Im ersten Teil der Begriffsbestimmung wird Schmerz als unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis beschrieben. Mit dem Begriff „Sinneserlebnis“ ist zum Beispiel gemeint, dass der Schmerz als brennend, stechend, bohrend oder reißend empfunden werden kann. Zum anderen geht es hier auch um die Schmerzstärke, die etwa mit einer Zahl von „0“ bis „10“ geschätzt werden kann. Dieser Aspekt wird im Kapitel „Schmerzdiagnostik/Messung der Schmerzstärke“ ausführlich erklärt.

Mit dem Begriff „Gefühlserlebnis“ wird auf die emotionalen Anteile des Schmerzes eingegangen, der zum Beispiel als quälend, mörderisch oder erschöpfend beschrieben werden kann. Diese beiden Anteile im Erleben von Schmerz sind untrennbar miteinander verbunden.

Entwicklungsgeschichtlich gehört der Schmerz zu den frühesten, häufigsten und eindrücklichsten Erfahrungen eines jeden Menschen. Schmerz ist überlebenswichtig – trotz aller Leids, das er bewirken kann. Aus körperlicher Sicht stellen Schmerzen eine lebenserhaltende biologische Reaktion auf schädigende Einwirkungen dar – auch dann, wenn es noch nicht zu einer Gewebeschädigung gekommen ist.
 

Alle höher entwickelten Lebensformen, insbesondere die Wirbeltiere, verfügen über dieses Frühwarnsystem. 

Schmerz und Schmerzbahn

Schmerzen sind dem Menschen ebenso geläufig wie Hunger oder Durst, Hitze oder Kälte. So wie Riechen, Schmecken, Hören und Sehen ist die Empfindung von Schmerz ein Bestandteil unseres Sinnessystems, mit dem wir unsere Umwelt und uns selbst wahrnehmen. Die Schmerzforschung zeigt, dass ein schmerzhafter Reiz, zum Beispiel durch eine Verletzung der Hand, zur Entstehung elektrischer Impulse führt, die über besondere Nervenfasern, ähnlich einem Stromkabel, den Arm entlang zum Rückenmark weitergeleitet werden. Dort werden die Impulse und eine weitere auf die Wahrnehmung von Schmerz spezialisierter Nervenzelle weitergereicht. Über eine weitere Schaltstelle oberhalb des Hirnstamms werden die Schmerzsignale schließlich an verschiedene Gehirnzentren weitergeleitet, die für eine verteilte Wahrnehmung dieses Sinnes- und Gefühlserlebnisses verantwortlich sind. Dies bedeutet, dass es im Gehirn kein einzelnes Schmerzzentrum gibt. Die Wahrnehmung von Schmerzen mit allen Sinnes- und Gefühlsanteilen entsteht letztlich als Antwort einer vernetzten Aktivierung verschiedener Schmerzzentren des Gehirns.

Schmerz ist aufgrund seiner Funktion als Schadensmelder oder -warner regelmäßig mit negativen Gefühlen verbunden, damit wir ihn ausreichend beachten und möglichst schnell lernen, wann es für uns gefährlich wird. Wie intensiv wir einen Schmerzreiz empfinden, ob er uns in Angst und Panik versetzt, hängt nicht nur vom reinen Nervensignal ab, sondern ist ein Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren, zu denen auch unsere familiären und kulturellen Erfahrungen im Umgang mit Schmerz zählen. Deshalb sprechen die Experten auch von dem „bio-psycho-sozialen Schmerz“, den jeder Mensch anders empfindet.
 

Schmerzhemmung

Alle höher entwickelten Lebensformen, insbesondere die Wirbeltiere, verfügen über das Frühwarnsystem „Schmerz“. Es hat sich im Laufe der Entwicklung des Lebens so verfeinert, dass alle Lebewesen auch die Fähigkeiten haben, die Schmerzen vorübergehend auszuschalten oder zu dämpfen.

Nervenzellen von Rückenmark und Gehirn tauschen dabei Botenstoffe aus und hemmen sich gegenseitig – zuweilen so stark, dass ein Mensch in einer Gefahrensituation nichts von einer gerade entstandenen Verletzung merkt, sondern erst später, wenn sich die Situation beruhigt hat. In einer Not- oder Fluchtsituation kann diese Reaktion einer Schmerzunterdrückung unter Umständen lebensrettend sein. Fasziniert sind wir von Fakiren, die durch jahrelanges Training vorübergehende Schmerzfreiheit trotz selbst zugefügter Verletzungen erlernt haben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Bei Zahnschmerzen suchen aber auch diese „Schmerzkünstler“ recht schnell einen Zahnarzt auf.

Dauernde Schmerzfreiheit kennen wir nur bei Menschen mit angeborenen oder durch Krankheiten verursachten Nervenschädigungen, die keine Schmerzempfindungen mehr besitzen. Die Betroffenen brechen sich häufig die Knochen oder erleiden Verbrennungen, weil das Warnsystem Schmerz fehlt. Sie bemerken, dass selbst die schwersten Verletzungen nicht oder zu spät gefahren sind. Diese „schmerzlosen“ Menschen erreichen meist kein hohes Alter.

    • © 2019 Deutsche Schmerzgesellschaft eV

 

Was sagt „derPhysioPraktiker“ dazu?

Als Physiotherapeut teile ich die Meinung der Deutschen Schmerzgesellschaft, wie Schmerz entsteht und woher die Intensität des Schmerzes kommt. Meine Arbeit baut auf diesem Wissen auf und dem Verständnis, dass Schmerz ein Warnsignal des Körpers ist, das auf eingehende Signale der Strukturen reagiert. Meine Arbeit besteht darin, die fehlenden Signale zu identifizieren und gezielt zu integrieren, um dem Gehirn ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Dies führt zu einer veränderten Interpretation der Signale und kann somit den Schmerz beseitigen oder reduzieren. Darüber hinaus kann die Inselrinde, ein bestimmtes Areal im Gehirn, die Schmerzintensität dämpfen, was für Patienten eine erste Linderung bringt.

Schmerz ist ein Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren, das das Gehirn auswertet und die Entscheidung der Schmerzauslösung beeinflusst. Jeder kennt das Phänomen der Wetterfühligkeit, das auf dem gleichen Prinzip beruht. Durch den Wetterwechsel bekommt das Gehirn andere Informationen von der Umwelt, die es auswerten und neu implementieren muss. In der Zeit der Implementierung spüren wir mehr Schmerzen, weil das Gehirn weniger sichere Informationen bekommt und dadurch Schmerzen auslöst oder die Intensität nach oben fährt.

 

Danke für dein Interesse!

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